Bitcoin in gemeinnützigen Organisationen

Juni 20, 2023

“Eines der größten Hindernisse für eine wirksame internationale Entwicklung war und ist die Tatsache, dass zwischen dem Geber und dem Empfänger so viele Dritte stehen. Oft handelt es sich dabei um kleptokratische Regierungen oder ausbeuterische, monopolistische Konzerne. Mit Bitcoin gibt es ein neues Modell, das dieses Chaos durchbricht und Geber und Empfänger auf Peer-to-Peer-Basis miteinander verbindet” (Alex Gladstein - Chief Strategy Officer der Human Rights Foundation)

Grundsätzlich werden gemeinnützige Organisationen an den Kriterien Wirkung, Effizienz und Transparenz gemessen, denn Spenden- und Hilfeleistung soll nicht nur wirksam und unmittelbar ankommen, sondern es dürfen zudem nur minimale Verwaltungsaufwände entstehen und der gesamte Prozess soll dabei auch noch möglichst transparent und nachvollziehbar sein. Für alle drei Kriterien ist Bitcoin ein wichtiger technologischer Treiber, der Organisationen beim Erfüllen ihrer Mission unterstützen kann. Im Gegensatz zu dem im breiten öffentlichen Diskurs gezeichneten Bild eines spekulativen Finanzinstruments ist Bitcoin in erster Linie nämlich vor allem das: eine Technologie. Ein dezentrales, durch nichts und niemanden kompromittierbares Netzwerk, das es erlaubt, Wert rund um die Uhr, ohne Zugangsbeschränkungen, zu verschwindend geringen Gebühren und ohne Drittparteien in Sekundenschnelle um die Welt zu senden und zu empfangen. Wie und warum Organisationen sich die Eigenschaften von Bitcoin zunutze machen sollten, möchten wir nachfolgend aufzeigen. Bevor jedoch auf praktische Anwendungsmöglichkeiten und die daraus resultierenden Vorteile eingegangen wird, möchten der Autor kurz erläutern, warum so viele Menschen in Bitcoin einen Wert sehen, der sich nicht in einer mit Euro-Zeichen versehenen Zahl ausdrücken lässt und der fernab jeglicher Spekulation liegt. 

In einer vollständigen Demokratie zu leben, sowie Zugang zu einer einigermaßen stabilen Währung wie dem Euro oder US-Dollar und zum Bankensystem zu  haben, sind Privilegien, die lediglich einem kleinen Teil der Weltbevölkerung gegeben sind. Dem gegenüber stehen jedoch über  4 Milliarden Menschen, die gemäß Demokratieindex unter Diktaturen oder anderen Formen undemokratischer Regierungsstrukturen  leben müssen, 1,6 Milliarden Menschen ohne Zugang zu einem Bankkonto, sowie über eine Milliarde Menschen, die unter zwei- oder dreistelligen Inflationsraten und der täglichen Vernichtung ihrer erarbeiteten Kaufkraft leiden. Bitcoin wirkt ohne zentrale Institutionen und ermöglicht es Menschen, ihr Vermögen vor Entwertung, Enteignung oder Beschlagnahmung durch Regierungen zu schützen und erlaubt es, finanzielle Transaktionen durchzuführen, die die Anonymität wahren und außerhalb staatlicher Überwachung liegen. Bitcoin gibt sehr vielen Menschen Hoffnung und die Möglichkeit, unabhängig von den Entscheidungen ihrer Regierungen und politischen Umständen ihres Heimatlandes Zugang zu einem monetären Netzwerk zu erhalten und sich selbstbestimmt ökonomisch zu betätigen. Wer diesen Nutzen verkennt und diese neue Technologie pauschal als “nutzlos” oder “Energieverschwendung” abtut, schielt an seinen eigenen finanziellen Privilegien vorbei.

Dezentralität und Unabhängigkeit

Bitcoin und NGOs vereint die Tatsache, dass beide dort wirken, wo weder Markt noch Staat es schaffen, eine Lösung bereitzustellen. NGOs tun dies bei gesellschaftlichen Problemen und Bitcoin bei Geld, welches zwar auf einem freien Markt entstehen, aber weder von Marktteilnehmern noch vom Staat kontrolliert werden sollte. NGOs arbeiten definitionsgemäß unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen. Bitcoin ermöglicht es Organisationen, diese Unabhängigkeit auch im Zahlungsverkehr zu wahren und Geld zu senden und zu empfangen, ohne auf die Hilfe von Regierungen oder Finanzinstituten angewiesen zu sein. Dies ist besonders für international tätige NGOs von Vorteil, die in Ländern arbeiten, in denen autokratische Regierungen herrschen, die wiederum versuchen, zivilgesellschaftliches Engagement zu unterdrücken. Beispielsweise soll hier die Situation von Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen in Indien genannt werden. Diese finanzieren sich größtenteils aus ausländischen Mitteln und werden mittels perfider Gesetze stark in ihrer Handlungsfähig eingeschränkt. Das dezentrale und resiliente Bitcoinnetzwerk funktioniert Peer-to-Peer, also ohne Intermediäre, was es unmöglich  macht, Zahlungen aufzuhalten, zu manipulieren oder sich daran zu bereichern. 

Laut Transparency International ist Korruption eines der größten Hemmnisse in der Entwicklungszusammenarbeit. Internationale Hilfszahlungen versickern entweder auf dem Weg an ihren Bestimmungsort oder werden von korrupten Regierungen in den Empfängerländern umgeleitet. In seinem Artikel “The humanitarian and environmental case for Bitcoin” recherchierte Gladstein deprimierende Zahlen für die Entwicklungshilfe. Zum Beispiel kamen zwischen 2013 und 2015 laut einer Studie von Oxfam lediglich 7 % der für Ghana bestimmten 28 Millionen Dollar an US-Hilfen an ihrem Ziel an. Bitcoin ist mit seinen oben beschriebenen Eigenschaften das ideale Werkzeug, um der Korruption in der Entwicklungshilfe ein Ende zu setzen. Da die Reduzierung der Korruption in der Entwicklungshilfe als eines der Ziele der Agenda 2030 durch die Deutsche Bundesregierung ausgegeben wurde, bleibt zu hoffen, dass in den neuen Versionen der Strategiepapiere Bitcoin als Technologie Beachtung findet.

Sichere und effiziente Zahlungsabwicklung

Zahlungsabwicklungen mit Bitcoin können dafür sorgen, dass Hilfeleistungen schneller und günstiger an ihrem vorgesehenen Ziel ankommen. Im Gegensatz zu herkömmlichen internationalen Überweisungen und Geldtransfers, die mehrere Tage in Anspruch nehmen können, werden Bitcoin Zahlungen in wenigen Minuten und im Lightning Netzwerk sogar in Sekundenschnelle abgewickelt, was dazu beitragen kann, dass Hilfe schneller an diejenigen gelangt, die sie am dringendsten benötigen. Hinzu kommt die Tatsache, dass Bitcoin Transaktionen deutlich geringere Kosten verursachen als herkömmliche Zahlungskanäle. Dies gilt vor allem für den internationalen Zahlungsverkehr, der bei weltweit operierenden Organisationen ein signifikanter Kostenfaktor ist.  

ArtInstitutionDauerKosten
SWIFT Überweisung Deutsche Bank1-3 Geschäftstage36,55 €
TransferdienstleisterWestern Union1-3 Geschäftstage27,74 €
Bitcoin-~ alle 10 min< 1 €
Beispiel 1000 € Geldtransfer in die Türkei

Letztendlich hängen die Kosten und die Dauer für einer Transaktion auf der Bitcoin Blockchain von der aktuellen Anzahl an Transaktionen und der Dringlichkeit in den nächsten Block zu kommen ab. Transaktionen auf dem zweiten Layer der Blockchain (z.B. dem Lightning Netzwerk) sind nochmal schneller und günstiger als auf dem Mainlayer selbst. Im aktuellen Entwicklungsstadium eignet sich das Lightning Netzwerk jedoch eher für kleiner Zahlungen. Generell gilt jedoch, dass NGOs durch den Einsatz von Bitcoin dafür Sorge tragen können, dass letztendlich mehr Geld wesentlich schneller und direkt am Bestimmungsort ankommt. Weiterhin sind Bitcoin-Transaktionen pseudonym, wodurch die Identität der beteiligten Parteien nicht preisgegeben werden muss. Dies kann von Vorteil sein, wenn NGOs in Gebieten arbeiten, in denen es für die Empfänger der Zahlung gefährlich sein kann, ihre Identität einer zentralen Institution (z.B. einer Bank)  preiszugeben.

Bitcoin im Fundraising

Der Effekt der effizienten Zahlungsabwicklung kommt auch im Fundraising zum Tragen. Gebühren für Payment Provider (wie z.B. Visa, Mastercard, Paypal oder Klarna) gehören mit Bitcoin der Vergangenheit an, sodass mehr vom gespendeten Betrag bei der Organisation und ihrer Mission ankommt. Mit der Akzeptanz von Bitcoinspenden öffnen sich Organisationen einem völlig neuen Spendenmarkt, der stetig wächst. Zeitgleich wird eine deutlich jüngere Zielgruppe angesprochen, die den bisherigen Durchschnittsspendern demografisch diametral gegenüber steht. Hinzukommt die Tatsache, dass diese neue Zielgruppe bei voranschreitender Adaption der Technologie einen kontinuierlichen Zuwachs an Kaufkraft zu verzeichnen haben wird. Entscheiden sich Personen einen Teil ihrer angesparten Kaufkraft an die Gesellschaft zurückgeben und zu spenden, werden sie dies vorzugsweise in Bitcoin tun, anstatt vorher ihr Erspartes in Fiatgeld zurückzutauschen. Bitcoiner dürfen durchaus als engagierte Menschen bezeichnet werden, so dass Organisationen such durch eine Bitcoinadapiton auch einer völlig neuen Gruppe von Unterstützern in Form freiwilligen Engagements öffnen.

Bitcoin und das Lightning Netzwerk bieten Organisationen erstmals eine ökonomische sinnvolle Lösung, um auch kleinere Spendenbeträge und sogar Mikropayments im Centbereich anzunehmen und effizient zu verwalten, die sonst von den Overheadkosten aufgezehrt werden. Die Möglichkeit, kleine Beträge zu spenden, dürfte die Hürden für ein erstmaliges Spenden senken und eröffnet Organisationen damit die Ansprache einer breiteren Zielgruppe.

Weiterhin erlaubt es Bitcoin pseudonym zu spenden, falls Spender*innen namentlich nicht mit einer Organisation in Zusammenhang gebracht werden möchten. Die Anonymität geht natürlich zulasten der Spendenquittung, was jedoch nicht bedeutet, dass das Ausstellen der Spendenbescheinigung bei Bitcoinspenden per se nicht möglich ist. Im Steuerrecht werden Bitcoin als Sachspenden bewertet und in der Regel zum Zeitpunkt des Erhalts mit dem aktuellen Eurowert bilanziert.

Erste Erfahrungen aus dem Onlinehandel zeigen, dass der Wert des Warenkorbs von Kund*innen, die in Bitcoin bezahlen, größer ist, als von Kund*innen, die in Fiatgeld zahlen. Es liegt die Annahme nahe, dass gleiches für die Höhe einer getätigten Spende gelten dürfte. Eine weitere Erkenntnis aus dem Onlinehandel ist bisher, dass Personen, die in Bitcoin zahlen, deutlich weniger Retouren verursachen als üblich. Im Bitcoin-Ökosystem werden Zahlungen final abgewickelt, was bedeutet, dass es keine Rückbuchungen und Rücklastschriften gibt. Dieser Tatsache sind sich alle Bitcoiner bewusst, weshalb sie besonders bedacht beim Ausführen einer Zahlung sind. Diesen Vorteil können sich Organisationen vor allem im Direktdialog (Face2Face Fundraising) zunutze machen, da dieser Fundraisingkanal von einer hohen Quote an Rücklastschriften gezeichnet ist. Menschen werden bei F2F Fundraising häufig im Stress oder in unpassenden Situationen angesprochen, unterschreiben schnell und unüberlegt, und stornieren das erteilte Lastschriftmandat im Nachgang wieder, dies verursacht zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Durch Bitcoin und final abgewickelte Zahlungen lässt sich dieser Verwaltungsaufwand in Zukunft vermeiden.

Ob integriert in das Spendenformular auf der Organisations-Website, als statischer QR-Code im Spendenmailing oder direkt auf dem Tablet der Fundraiser*innen im Direktdialog, als ergänzende Zahlungsmöglichkeit eröffnet Bitcoin einen neuen Spendenmarkt, ermöglicht pseudonymes Spenden und macht darüber hinaus das Annehmen von kleinen Spendenbeträgen lukrativ.

Bitcoin als strategisches Finanzinstrument

Im Kontext eines zunehmend instabilen globalen Finanzsystems kann Bitcoin für gemeinnützige Organisationen als eine Form der Absicherung dienen. Indem sie einen Teil ihrer Reserven in Bitcoin halten, können sie sich gegen mögliche finanzielle Störungen absichern, die traditionelle Fiat-Währungen erheblich entwerten könnten. Angesichts der unvorhersehbaren und teilweise extremen geldpolitischen Maßnahmen, die von Zentralbanken weltweit ergriffen werden, bietet Bitcoin einen Ausweg aus diesem System. Durch seine dezentrale Natur und das Fehlen einer zentralen Autorität kann Bitcoin als sicherer Hafen inmitten dieser Unsicherheit dienen. Die Integration von Bitcoin in die Finanzstrategie gemeinnütziger Organisationen ist somit eine wertvolle Möglichkeit zur Risikominderung und Stärkung der finanziellen Resilienz.

Wie bei allen Technologien bietet Bitcoin auch "First Mover"-Vorteil. Gemeinnützige Organisationen, die frühzeitig Bitcoin in ihre Reservestrategie einbeziehen, können von potenziellen Wertsteigerungen profitieren, während sich Bitcoin noch in einer Monetarisierungsphase befindet. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit und Nutzung von Bitcoin, also das Unterstützen nachweislich freiheitsfördernder Technologie kann auch das öffentliche Bild der Organisation stärken.

Transparenz

Eine der wichtigsten Eigenschaften von Bitcoin ist die Unveränderlichkeit der Transaktionsdaten, die in der Blockchain gespeichert werden. Dies bedeutet, dass jede Transaktion, die jemals auf der Bitcoin-Blockchain durchgeführt wurde, für immer verfügbar und für jede*n öffentlich einsehbar und nachvollziehbar ist. Dies kann Organisationen helfen, die Transparenz ihrer Finanzen zu erhöhen und ihre Spendenaktivitäten nachvollziehbar zu machen. Zum Beispiel lassen sich Spenden mit Bitcoin technisch so gestalten, dass ein vorher festgelegter Anteil der Spende für Verwaltungsaufwände in eine bestimmte Wallet fließt und der Rest der Spende automatisch in eine andere Wallet für den jeweiligen Spendenzweck selbst einläuft. Ein Vorgehen, das auch für Sozialunternehmen interessant ist, die einen Teil ihrer Einnahmen einem guten Zweck zukommen lassen wollen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Bitcoin durch seine besonderen Eigenschaften enormes Potenzial in sich trägt und ein nützliches Werkzeug für unterschiedliche Herausforderungen in gemeinnützigen Organisationen sein kann. Bitcoin ist eine Bottom-up-Bewegung und die noch junge Technologie wird aktuell vor allem dort verwendet, wo sie derzeit am dringendsten gebraucht wird, denn die höchste Adaption haben die Länder zu verzeichnen, die unter hohen Inflationsraten und/oder Autokratien leiden. Doch Bitcoin ist für alle da - ein neutrales und offenes Protokoll, dessen Nutzung jedem Menschen, jeder Organisationen und jedem Unternehmen möglich ist. Der Autor hat aufgezeigt, dass es auch für NGOs viele sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten für Bitcoin geben kann und möchte ihnen abschließend ans Herz legen, sich dieser Technologie nicht zu verschließen und sich in einem ersten Schritt näher damit zu beschäftigen. 

© 2023 BITCOIN4GOOD
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram