Im vorliegenden Interview mit dem amerikanischen Philosophen und Umweltaktivisten Troy Cross besprechen wir, wie ein Philosoph zu Bitcoin kommt und welchen Wert er in Bitcoin sieht. Anschließend widmen wir uns der Debatte rund um Bitcoins Energieverbrauch und beantworten die Frage, warum Energieverbrauch nicht per se etwas Schlechtes ist. Außerdem werfen wir einen Blick darauf, wie Bitcoin einen Wandel hin zu regenerativen Energien fördern kann und welche innovativen Ideen und Ansätze es zur Nutzung der beim Mining entstehenden Abwärme gibt.
Troy Cross ist US-amerikanischer Professor für Philosophie, der an verschiedenen Universitäten in den USA und in Europa unterrichtet hat. Aktuell lehrt er am Reed College im pazifischen Nordwesten der USA.
Marcel:
Troy, du bist zu einer wichtigen Stimme im Bitcoin-Space geworden und verbringst viel Zeit mit dem Thema. Ist das möglich, weil du plötzlich durch Bitcoin reich geworden bist oder was ist der Grund für dein starkes Interesse?
Troy:
Ich wünschte, es wäre so, aber ich bin finanziell nicht reich. Mein Interesse an Bitcoin ist philosophischer Natur - das war es von Anfang an. Ich habe Bitcoin im Jahr 2011 entdeckt. Ich interessierte mich dafür, weil ich an Eliteuniversitäten unterrichtete, von denen meine Student*innen später an die Wall Street gingen. Etwas, von dem ich bis dahin keine Ahnung hatte. Da begann ich mich für das Geldsystem und die Frage, ob es fair bzw. gerecht ist, zu interessieren. Ich habe immer vermutet, dass es nicht gerecht ist, aber je mehr ich über das Geld- und Finanzsystem lernte, desto ungerechter nahm ich es wahr. Bitcoin war die letzte von vielen Ideen, die ich untersuchte, einschließlich Gold und E-Gold, als Alternative zum Geldsystem, in dem wir leben. Das war nicht Teil meiner philosophischen Arbeit, aber ich bin eine neugierige Person. Ich sah die besten und klügsten meiner Studenten, die alle zu einigen wenigen Firmen an die Wall Street gingen. Als ich versuchte, herauszufinden, was sie taten, verstand ich nicht, wie diese Branche wirklich einen gesellschaftlichen Mehrwert kreiert. Dann habe ich die Finanzkrise im Jahr 2008 erlebt. Ich habe gesehen, wie Banken gerettet wurden und wie die Leute, die das gesamte Finanzsystem aufs Spiel setzten, dafür belohnt wurden. In dem Moment wurde mir klar, dass das nicht einmal etwas Besonderes war, sondern dass das ganze System darauf ausgelegt war, einige wenige zu belohnen. Das war der Beginn meiner Reise. Als ich Bitcoin 2011 entdeckte, war es das fehlende Teil in einem Puzzle, das ich bereits zusammengesetzt hatte. Aber ich machte mir zu diesem Zeitpunkt Sorgen über die Auswirkungen von Bitcoin auf die Umwelt.
Marcel:
Damit warst du früh dran…
Troy:
Ich habe ein paar Monate selbst Mining betrieben, bevor mir klar wurde, dass Bitcoin eine enorme Menge an Energie verbrauchen würde, wenn es die Marktkapitalisierung von Gold erreichen würde. Einer der Gründe, warum ich an dieses College und nach Portland, Oregon, gegangen bin, war mein Engagement für die Umwelt. Ich habe aktiv dazu beigetragen, dass die
Menschen an meiner Hochschule über ihre Investitionen nachdenken und prüfen, ob sie ethisch mit der Nachhaltigkeit vereinbar sind. So kam ich dazu, Bitcoin als ein mächtiges Werkzeug für monetäre Gerechtigkeit zu sehen, aber auch als eine Bedrohung für die Umwelt und befand mich damit in einer unangenehmen Lage. Ich war auch hin- und hergerissen, was den potenziellen Erfolg anging. Ich erkannte, dass Bitcoin sich bisher noch nicht negativ auf die Umwelt auswirkte, aber das würde es, wenn es wirklich sein wahres Potenzial entfalten würde. An diesem Punkt befand ich mich 2011 und das reichte aus, um mit dem Mining aufzuhören und meine Mining-Maschinen an eine örtliche gemeinnützige Organisation zu verschenken.
Marcel:
Ich habe gehört, dass du dir unter anderem Alpaka Socken von den Bitcoins gekauft hast.
Troy:
Ja, ich habe Alpakasocken für fünf Bitcoins pro Paar gekauft und insgesamt ein paar Dutzend Paare. Ich habe viele andere kleine Käufe getätigt, z. B. habe ich auf dem Bitcoin-Äquivalent zu eBay handgefertigte Waren, Marmelade und Gelee gekauft. Es gab nur sehr wenige Dinge, die man kaufen konnte. Aber ich habe versucht, die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Lass mich kurz ein paar Worte darüber verlieren, was Bitcoin ist und warum es ein gerechteres System schaffen würde. Ich betrachte Bitcoin in Bezug auf zwei entscheidende Funktionen.
Das sind zwei wichtige Merkmale von Bitcoin, die kein anderes Geldsystem hat. Es bildet einen Gegenentwurf dazu, wie Geld aktuell von Zentralbanken und Regierungen auf der ganzen Welt missbraucht wird. Einerseits können Banken und Regierungen Zahlungen stoppen oder Menschen aus dem Finanzsystem ausschließen. Transaktionen können ausspioniert, kontrolliert oder verboten werden. Und dafür fallen auch noch exorbitant hohe Gebühren an. Andererseits wird die Geldmenge ständig ausgeweitet und die Ersparnisse der arbeitenden Menschen entwertet. In der aktuellen Inflationskrise spüren wir es nun auch bei uns. Aber das ist bereits Realität für Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Ihr Geld bläht sich auf und macht den Menschen das Leben schwer. Bitcoin macht eine Sache besonders gut, die Fiat-Geld nicht gut macht - es funktioniert für alle Menschen.
Marcel:
Eine prominente Kritik an Bitcoin ist, dass das Mining zu viel Energie verbraucht - Was sagst du dazu?
Troy:
Bitcoin verbraucht Energie, es verbraucht eine beträchtliche Menge an Energie. Momentan verbraucht Bitcoin 0,15 % der gesamten Primärenergie. Ob das viel oder wenig ist, liegt im Auge des Betrachters, je nachdem, ob man denkt, dass die Funktionen, die Bitcoin der Menschheit bietet, ein offenes monetäres Netzwerk, das Dutzenden Millionen von Menschen dient, ist das etwas mehr als ein Tausendstel Prozent der gesamten Energie wert?
Ich denke schon. Andere Leute sind anderer Meinung, aber was wichtiger ist, dass die Frage, “Wie viel Energie verbraucht Bitcoin?” eigentlich die falsche ist. Energieverbrauch ist nicht per se schlecht und auch nicht automatisch schädlich für die Umwelt. Das ist eine grundlegende Einsicht, für die auch ich lange gebraucht habe.
Bitcoin hat eine besondere Art, Energie zu verbrauchen, die einzigartig ist. Es gibt nichts Vergleichbares. Zunächst einmal ist Mining das System, das das Netzwerk sichert. Außerdem ist es über die ganze Welt verteilt. Bitcoin verwendet Energie, um das Netzwerk zu sichern. Jemand, der 51 % der gesamten Rechenleistung des Netzwerks für sich beansprucht, könnte dem Netzwerk selbst Schaden zufügen und es attackieren. Je mehr Energie also für den Schutz des Netzwerks aufgewendet wird, desto sicherer ist es.
Die eigentliche Frage ist: Wie wird diese Energie erzeugt? Wenn diese Energie aus der Verbrennung von Kohle stammt, ist das sehr schädlich für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Kohle ist eine schmutzige Energiequelle. Erdgas etwas weniger, aber dennoch ist es umweltschädlich in der Form des Energieverbrauchs. Andere Formen des Energieverbrauchs sind jedoch nicht unbedingt umweltschädlich. Denken wir zum Beispiel an Wind- und Solarenergie oder Wasserkraft. Wir haben also Bitcoin-Miner auf der ganzen Welt, die darum konkurrieren, jeden Tag eine begrenzte Menge Bitcoin zu schürfen. Aktuell sind es 900 Bitcoin pro Tag. Dieser Wettbewerb ist perfekt, denn er treibt die Miner zu den billigsten Energiequellen. Die billigsten Energiequellen sind nicht nur erneuerbare, sondern auch Energien, die im Moment nicht benötigt werden oder zu weit entfernt sind, sogenannte gestrandete Energie. Bitcoin-Miner produzieren also Wohlstand aus Strom, und zwar zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt. Sie sind orts- und zeitunabhängige Energieverbraucher, skalierbar und mobil. Hat eine Solarfarm beispielsweise 20 % überschüssige Energie, können Bitcoin-Miner an diesen Ort kommen und diese 20 % überschüssiger Energie abnehmen und eine Gebühr an den Erzeuger zahlen, die er sonst nicht bekommen würde. Es macht überschüssige Solarenergie profitabel, die vorher ungenutzt war. Das ist zwar ein Energieverbrauch, aber für die Umwelt ist das nicht schlecht. Im Gegenteil, das ist gut, denn plötzlich ist der Produzent profitabler als vorher und das beschleunigt unseren Übergang zu erneuerbaren Energien. Gestrandete Energie zu nutzen, ist eine Form der Energienutzung, die sich positiv auf die Umwelt auswirkt. Eine andere Form der Energienutzung, die gut für die Umwelt ist, ist im Folgenden Beispiel zu finden: In der Abfallverbrennung wird Methan produziert. Methan ist für bis zu einem Drittel der gesamten Erderwärmung verantwortlich. Über einen Zeitraum von 20 Jahren ist die Erderwärmung durch Methan 84-mal höher als die des Treibhausgases CO₂. Und wenn Bitcoin-Miner an abgelegene Orte gehen, an denen Methan entweicht, wie z. B. eine Mülldeponie, und dieses Methan einfangen und verbrennen, erzeugen sie dabei zwar CO₂, aber haben dadurch kurzfristig eine 84-fache Reduzierung des Erwärmungpotenzials erreicht. Langfristig ist es immer noch eine 25-fache Reduzierung. Die Nutzung von Methan zum Mining ist also eine Energienutzung, die in Bezug auf die Erderwärmung einen negativen Netto-CO2-Effekt hat. Ich habe es jetzt oberflächlich beschrieben, aber diese beiden Formen der Energienutzung könnten den Energieverbrauch von Bitcoin in die Höhe treiben, aber auch einen positiven Effekt auf die Umwelt haben.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, Bitcoin verbraucht Energie, 0,15 % der Energie, die derzeit weltweit verbraucht wird. Ist das schlecht? Nein, nicht per se. Dieser Energieverbrauch kann aus ökologischer Sicht gut oder schlecht sein, je nachdem, welche Form er annimmt, denn es gibt positive Formen des Energieverbrauchs für die Umwelt.
Marcel:
Zusammengefasst sagst du also, Bitcoin hat einen Nutzen, der seinen Energieverbrauch rechtfertigt und dass Energieverbrauch per se nicht schlecht für die Umwelt sein muss, sondern sogar einen positiven Effekt haben kann. Aber viele Menschen argumentieren, dass die Energie, die Bitcoin nutzt, an anderer Stelle, zum Beispiel in Haushalten, fehlt. Was sagst du dazu?
Troy:
Wie gesagt, das Bitcoin-Mining ist ein vollkommen wettbewerbsorientierter Markt, was bedeutet, dass jeder Bitcoin-Miner genau die gleiche Tätigkeit ausübt. Sie nehmen Strom und konkurrieren um die Produktion von Bitcoin. Alle Bitcoin-Miner produzieren dieses fungible Gut, das sofort über das Internet verschickt werden kann. Es gibt also keinen Unterschied zwischen dem Bitcoin, der an einem Ort produziert wird, und dem Bitcoin, der an einem anderen Ort produziert wird. Es herrscht also perfekter Wettbewerb, d.h. wenn Miner irgendwo auf der Welt billigeren Strom finden, sinken Ihre Kosten unter denen der anderen Miner. Die Gewinnmargen schrumpfen und unprofitable Miner werden aus dem Wettbewerb gedrängt. Das ist der grundlegende Mechanismus eines perfekten Marktes.
Bitcoin Mining ist der perfekteste Markt, den es je gegeben hat. Es kommt einem ökonomischen Lehrbuchbeispiel für einen freien Markt am nächsten, weil es sich um ein digitales, fungibles Gut handelt. Der Input ist nur Elektrizität, was bedeutet, dass die Preissensibilität extrem ist. Um Bitcoin profitabel zu schürfen, müssen die Stromkosten bei aktuell etwa 0,04 Dollar pro Kilowattstunde liegen. Schon bald wird dieser Preis noch weiter sinken. Er wird in naher Zukunft wahrscheinlich auf 0,02 Dollar oder 0,015 Dollar pro Kilowattstunde sinken, da die Gesamtleistung des Netzwerks schnell steigt und die Belohnung für die Miner genau gleich bleibt. Was bedeutet das also, wenn man mit mehr als $0,02 oder $0,03 Dollar pro Kilowattstunde Leistung kein profitables Mining betreiben kann? Das ist viel weniger, als Privathaushalte zahlen. Die Endkundenpreise sind überall höher als $0.04. Die Tarife für gewerbliche Kunden sind sogar noch höher. Strom wird zwar oft subventioniert und trotzdem bleibt es viel teurer. Wo können Bitcoin-Miner also so günstigen Strom beziehen? Im Grunde nur dort, wo es keine konkurrierende Nachfrage nach Strom gibt. Diese Preise bekommen Miner weder in New York oder Berlin, noch in irgendeiner anderen Stadt auf der Welt. Es gibt abgelegene Wasserkraftwerke in Norwegen, hunderte Meilen nördlich von Oslo, welche nicht ausreichend ans Stromnetz angeschlossen sind. An diesen Orten wird überschüssige Energie produziert und daher auch Mining betrieben. Hier bezahlen die Miner anderthalb Cent pro Kilowattstunde. Frag mal Menschen in Oslo, wie viel sie für ihren Strom bezahlen. Das ist aktuell deutlich teurer, denn wir befinden uns in einer Energiekrise - das spüren wir weltweit. Aber an diesen hochpreisigen Orten siedeln sich keine Bitcoin Miner an, da ihr Business hier nicht profitabel ist.
Das ist sozusagen die Magie von Bitcoin als Energieverbraucher. Er wird niemals mit Haushalten oder dem Einzelhandel konkurrieren. Außer in Momenten, in denen die Mining-Maschinen knapp sind und der Preis von Bitcoin enorm gestiegen ist. Das war z.B. 2020/21 der Fall, als das Mining, das zu dem Zeitpunkt zur Hälfte in China stattfand, verboten wurde und viele Miner nach Amerika flohen. In diesem einen Moment trieb das Bitcoin-Mining die lokalen Energiepreise in die Höhe und hat auch verhindert, dass fossile Kraftwerke stillgelegt wurden. So etwas passiert aber wirklich selten. Bitcoins wahre Natur, der langfristige Trend, ist es, nur die billigste Energie zu nutzen. Bitcoin ist ein Energieabnehmer der letzten Instanz und schafft es, CO₂-arme Formen der Energieerzeugung zu nutzen und Energieabfälle zu monetarisieren. Das sehen wir gerade ganz deutlich und ich denke, dass die Welt über das Energieprofil von Bitcoin aufgeklärt werden muss, weil sie bisher immer nur eine kurzfristige Momentaufnahme sieht, aber das langfristige Potenzial verkannt wird.
Marcel:
Was sagst du zu der oft getroffenen Annahme, dass Bitcoin mit steigender Adaption und steigenden Preisen proportional mehr Energie verbrauchen wird?
Troy:
Wenn der Preis steigt, gibt es zunächst einmal mehr Anreize, Mining zu betreiben. Das ist wahr und ein sehr schneller Preisanstieg führt zu mehr Mining. Das haben wir in der gesamten Geschichte von Bitcoin sehen können. Aber einerseits gibt es das "Difficulty Adjustment” (eine automatische Anpassung der Mining-Schwierigkeit) und andererseits gibt es einen festen Ausgabeplan für neue Bitcoins. Diese werden etwa alle 10 Minuten an die Miner vergeben, sobald der Blockchain ein neuer Block hinzugefügt wurde. Sozusagen ein neuer Eintrag in den verteilten Bitcoin-Ledger. Mit jedem gefundenen Block erhält der erfolgreiche Miner als Belohnung die "Block Subvention" in Form neuer Bitcoin.
Als Bitcoin ins Leben gerufen wurde, betrug die Block-Subvention 50 Bitcoin pro Block. Alle vier Jahre halbiert sich die Anzahl neu ausgegebener Bitcoin pro Block. Vier Jahre nach Einführung des Protokolls ist die Block-Belohnung also von 50 auf 25 Bitcoin pro Block gesunken. Weitere vier Jahre später ist die Belohnung auf 12,5 gesunken und anschließend auf 6,25. In dieser Epoche befinden wir uns aktuell und 2024 wird sich die Belohnung auf 3,125 Bitcoin pro Block reduzieren. Und so weiter. Die Belohnungen für alle Miner auf der Welt sind also so konzipiert, dass sie exponentiell fallen. Damit der Anreiz zum Bitcoin-Mining steigt, muss sich der Bitcoin-Preis alle vier Jahre mehr als verdoppeln, was er in der Vergangenheit auch immer getan hat, weshalb der Anreiz für Miner gewachsen ist. Das ist eine außergewöhnliche Wachstumsrate. Die Frage ist: Wie lange kann eine solche Wachstumsrate anhalten? Wenn wir uns vorstellen, dass der Preis von Bitcoin sich alle vier Jahre verdoppelt und damit der Anreiz, Minen und Energie zu verbrauchen, gleich bleibt, dann würde man sehr schnell bei der Gesamtmenge allen Geldes auf der Welt landen. In etwa 25 oder 26 Jahren würde Bitcoin bei dieser preislichen Wachstumsrate dem Wert allen Geldes auf der Welt entsprechen. Die Obergrenze des Energieverbrauchs ist so gerechnet, also gar keine so große. Grundsätzlich denke ich, dass der Energieverbrauch von Bitcoin weiter steigen wird, selbst wenn die Block-Belohnung für die Miner sinkt.
Wir haben für unsere Energie ein bestimmtes Budget und wissen, wie viel Energie wir mit diesem Budget bekommen. Ich denke, dass das Budget, selbst wenn der Preis nicht steigt und das Energiebudget damit schrumpft, der Energieverbrauch steigen wird. Denn die Bitcoin-Miner suchen und finden überall auf der Welt billige Energiequellen und zahlen so immer weniger für ihre Energie. Vor zwei Jahren lag der Durchschnittspreis für Energie wahrscheinlich bei zehn Cent pro Kilowattstunde. Jetzt sind es vier, und in zwei weiteren Jahren werden es zwei sein und in einem Jahrzehnt wird es sehr nahe bei null liegen.
Etwas anderes, das wir beim Bitcoin-Mining sehen, ist, dass Bitcoin-Miner Energie in Wärme umwandeln. Letztendlich wird die Energie, die einem Bitcoin-Miner in Form von Strom zugeführt wird, konserviert. Sie geht nirgendwo hin. Sie wird nur in eine andere Form von Energie umgewandelt, eine weniger nützliche Form, minderwertige Wärme, und Miner können diese Wärme nutzen, sie sogar verkaufen. Einige Miner heizen ihre Häuser, andere nutzen die Abwärme für verschiedene industrielle Prozesse, z.B. in Papierfabriken, beim Trocknen von Holz oder bei der Fermentation. Einige nutzen sie, um Gewächshäuser zu beheizen, um Blumen zu züchten, um Lebensmittel in Nordeuropa anzubauen, aber auch für Fernwärme. Und wenn man für seine Wärme Geld bekommt, kann man sogar mehr als einen Bitcoin ausgeben, um einen Bitcoin zu schürfen, weil man auch in Wärme bezahlt wird.
Marcel:
Da hast du recht, genau das passiert gerade. Für unsere Generation ist es das erste Mal in Europa, dass wir spürbar mit steigenden Kosten für Strom und Wärme zu kämpfen haben. Aber ich habe das Gefühl, dass das eine Chance sein könnte, die Adaptionsmöglichkeiten von Bitcoin in alltäglichen Anwendungsfällen zu verstehen. Wie siehst du das?
Troy:
Das sehe ich genauso. Wenn es um elektrische Heizungen geht, sind Bitcoin Miner trotz aller Energieeinsparungen nicht die effizienteste Heizung. Es handelt sich um einen “Resistance Heater”, nicht um eine Wärmepumpe. Aber bei sehr kaltem Wetter sind Wärmepumpen unzureichend und ergänzend dazu können Widerstandsheizungen eingesetzt werden. Wichtig
ist, dass es sich um eine Elektrifizierung handelt. Hat man bspw. kein Zugang zu Gas oder Gas
ist sehr teuer, aber man findet einen Zugang zu Offshore-Windenergie, Kernenergie oder andere CO₂-armen Energieformen, lässt sich die Wärmeerzeugung durch Stromverbrauch beim Bitcoin-Mining substituieren. Wärmeerzeugung ist einer der Hauptverbraucher fossiler Brennstoffe und diesen hohen Anteil könnte man reduzieren. Unterm Strich würde Bitcoin-Mining damit einen netto-positiven Effekt auf die CO₂-Bilanz haben. Und wenn fossiles Heizen durch Wärmepumpen ersetzt werden, ist das noch besser. Diese sind jedoch mit einem hohen Investitionsaufwand verbunden. Bitcoin-Heizung kann eine wirklich wichtige Rolle in dieser Umstellung spielen.
Stellen wir uns vor, wir hätten überall Bitcoin-Heizungen und nutzen sie als Industriewärme, Wärmepumpen und so weiter. Die Menge an Energie, die das Bitcoin-Netzwerk dann verbrauchen würde, wäre gigantisch. Das ist ein Vielfaches an Energie, von dem, was das Bitcoin-Netzwerk aktuell verbraucht. Ich sehe also eine Zukunft, in der der Energieverbrauch von Bitcoin außergewöhnlich hoch ist, aber niemanden zusätzlich belastet wird und dieser auch nicht zu den Kohlenstoffemissionen beiträgt. Tatsächlich ist es netto-kohlenstoff-negativ:
Der grundlegende Irrtum ist, dass Emissionen und Energie verwechselt werden.
Marcel:
Großartig, dem werden die Leser*innen gut folgen können. Ich empfehle allen Leuten auch die Folge “What Bitcoin did", in der du zu Gast warst. Zum Ende des Interviews würde ich dir gerne noch den Raum geben, ein paar Ideen zu ergänzen. Warum denkst du, dass Bitcoin einen positiven Effekt auf die Umwelt haben kann?
Troy:
Ich habe noch nicht in Gänze zum Ausdruck gebracht, warum ich denke, dass positiven Effekt haben kann. Ich habe gesagt, dass Heizungen durch Mining ersetzt werden könnten, dass es Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien schaffen und dazu beitragen könnte, erneuerbare Energien rentabel zu machen. Und ich habe gesagt, dass es uns helfen kann, mit Methan Abfällen richtig umzugehen.
Aber einen Punkt, den ich auch bei “What Bitcoin did" angesprochen habe und den ich auch hier ansprechen sollte, ist, dass Bitcoin im Moment einfach zu klein ist, um wirklich einen bedeutenden Unterschied in die eine oder andere Richtung zu machen, sowohl in die negative als auch in die positive Richtung. Auf der negativen Seite schätzt Cambridge, dass Bitcoin im Moment für 0,09 % der Erwärmung Emissionen verantwortlich ist, was eine negative Auswirkung auf die Umwelt ist, wenn auch nur eine sehr kleine. Das ist weniger als ein Tausendstel der Emissionen. Und natürlich ersetzt es das alte Finanzsystem, das seine eigenen Auswirkungen hat. Es ersetzt Aktien, die gemessen am Kaufwert pro Einheit CO₂-intensiver sind. Was wir in Zukunft sehen müssen, ist, dass das Bitcoin-Mining ein viel größeres Ausmaß erreichen muss, um einen sinnvollen und positiven Einfluss zu haben. Die Subventionen für Solaranlagen in Kalifornien allein sind viel, viel größer als die gesamte Bitcoin-Mining-Industrie. Das Bitcoin-Netzwerk ist also wirklich noch nicht groß genug, um einen bedeutenden Unterschied in die eine oder andere Richtungen zu machen.
Ich habe zusammen mit Andrew Bailey eine Idee entwickelt, wie man den Prozess des Bitcoin-Minings und seine Auswirkungen zum Guten beschleunigen kann. Wie oben beschrieben ist der Einfluss auf die Umwelt aktuell wahrscheinlich negativ, wenn auch sehr gering, aber es bewegt sich in diese positive Richtung. Wir haben uns die Frage gestellt: Wie schaffen wir es, dass sich der Trend schneller dorthin bewegt und wie schaffen wir es, dass es die nötige Größe erreicht, um einen positiven und bedeutenden Unterschied zu bewirken? Wir haben eine Formel vorgeschlagen, wie man Bitcoin netto-kohlenstoff-negativ oder kohlenstoffneutral halten kann. Der Beitrag zum Bitcoin-Mining-Netzwerk sollte dem jeweiligen Vermögenswert an Bitcoin entsprechen. Halte ich bspw. 0,01 % aller Bitcoin, so sollte mein persönlicher Beitrag zum Mining ebenfalls bei 0,01 % liegen. Dieser Beitrag zur Hashrate sollte auf sozial positive und kohlenstoff-neutrale oder negative Weise erfolgen. Betreibt man Mining beispielsweise mit der Abfall-Emission Methan, ist man netto-kohlenstoff-negativ. Bitcoin für die Verwertung von Methan zu erhalten, kann weltweit Anreize zum Minen schaffen, was wiederum andere Miner dazu antreibt, nach weiteren günstigen Energiequellen zu suchen. Diese Idee haben Andrew und ich in einem Papier vorgestellt, das auf Andrews Website zu finden ist, wo man diese Idee nachlesen kann.
Ich denke weiterhin, dass Bitcoin als Vermögenswert und als Netzwerk wachsen muss, um einen bedeutenden Unterschied zu machen. Bitcoin sollte dieses Wachstum eher früher als später erreichen. Ich denke, wir alle können einen Teil dazu beitragen, wenn wir wollen. Bitcoin ist ein Open-Source-Protokoll, wir sind Teil der Community. Warum habe ich mich engagiert? Weil Bitcoin kein Unternehmen ist. Es gibt keinen CEO, es gibt nur ein “uns”. Und das weiß ich schon seit 2011. Das Bitcoin-Protokoll kann auf jedem Rechner ausgeführt werden, und es ist die Community, die die Zukunft dieses Codes und die Implementierungen in der Welt gemeinsam gestalten. Bitcoin ist eine offene Community, an der alle teilnehmen können, ohne jemanden nach Erlaubnis fragen zu müssen. Wenn man Bitcoin mitgestalten will, kann man seine Idee dafür teilen und sich dafür einsetzen. Genau das habe auch ich getan. Ich habe den Bitcoin-Space betreten, ich hatte eine Idee, für die ich mich eingesetzt habe, aber ich habe meinen Worten auch Taten folgen lassen und versucht, mich selbst und andere, die meine Werte teilen, dazu zu bringen, sich auf ihre Weise ebenfalls zu engagieren.
Bitcoin ist nicht etwas, das man nur von außen betrachtet, wie alles andere in dieser Welt und einfach sagt: "Oh mein Gott, die Welt geht zum Teufel" oder “Oh mein Gott, die Umwelt wird zerstört”. Wir sind Bitcoin. Das ist der Unterschied. Du kannst Teil dieses monetären Netzwerks sein. Du kannst ein Teil des Mining-Netzwerks sein. Wenn du irgendwas siehst, das du ändern willst, dann mache den Unterschied. Das ist meine Botschaft: Wir müssen nicht passiv dasitzen und zusehen, wie sich das Mining in eine Richtung entwickelt, die wir nicht wollen. Es ist eine freie Aktivität, für die ich nicht um Erlaubnis fragen muss. Jede*r kann sich einen ASIC-Miner kaufen und sich ans Netzwerk anschließen. Es gibt so viele europäische Bitcoiner, die Miner als Heizungen nutzen und diese in ihrem eigenen Haus mit Solar betreiben. Dadurch wird die Hashrate erhöht und man bekommt anteilig etwas von den begrenzten 900 Bitcoin pro Tag. Das macht es teurer und schwieriger für die, die auf ineffizienten Energiequellen minen. Und das ist wunderbar. Das ist meine Idee. Dies ist ein Netzwerk, das uns gehört. Lasst es uns so gestalten, wie wir es wollen.
Marcel:
Schön gesagt! Ich habe noch eine ganz praktische Frage: Es ist ja nicht gerade günstig, die gesamte Infrastruktur privat anzuschaffen, um Bitcoin Miner als Heizung zu nutzen. Was kostet ein S19 - Miner aktuell?
Troy:
So ca. 2500 €. Der fallende Bitcoin Preis und die steigende Hashrate haben die ASICs billiger gemacht, was großartig ist, weil das bedeutet, dass man beim Mining nicht so viel Betriebszeit für seine Maschine haben muss, um die Investitionskosten zu amortisieren. Stattdessen ist der wichtigste Input nun die Energie, nicht die Hardwarekosten, nicht die Investitionsausgaben, sondern die Betriebsausgaben. Aber 2500 € sind immer noch viel Geld und die Maschinen sind laut. Es ist nicht einfach, zu Hause mit einer Maschine der neuesten Generation zu minen. Deshalb arbeite ich an einer Möglichkeit, wie man sich am Mining beteiligen kann, ohne eine Maschine zu Hause zu haben. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Das eine ist gehostetes Mining, aber mit der richtigen Art von Hosting. Ich arbeite mit einem Unternehmen, Sazmining, zusammen, das ausschließlich erneuerbare Energien abbauen will. Sie sind dabei, ihre erste Anlage auf Basis von Kleinwasserkraftwerken im mittleren Westen der USA zu eröffnen. Man kann einen Miner kaufen und diesen von einer Firma hosten bzw. betreiben lassen und die Firma dafür am Ertrag beteiligen. Hierbei entsteht natürlich ein Drittparteirisiko, aber das muss jede*r für sich selbst abwägen.
Eine andere Sache, an der ich arbeite, ist ein Hashrate-Produkt, bei dem man im Wesentlichen das Recht auf eine bestimmte Menge Bitcoin kauft, die von Minern, die von einer seriösen dritten Partei auditiert werden, produziert wird. Per Audit wird dem Unternehmen dann bescheinigt, die Maschinen und die Rechenleistung zu haben, die es zu haben behauptet. Weiterhin kann überprüft werden, ob das Unternehmen das Mining mit der Art von Energie betreibt, mit der es behauptet. Der Strom sollte dabei nachweislich grün sein, nicht mit Haushalten um den Strom konkurrieren und dadurch die Stromkosten in die Höhe treiben. Das kann man steuern, indem man eine Obergrenze für den Preis des zu nutzenden Stroms festlegt, sodass sichergestellt wird, dass die Miner nicht mit den Endverbraucher*innen konkurriert. Im Grunde erwirbt man also einen Teil der Rechenleistung und erhält dafür anteilig Bitcoin. Finanzrechtlich spricht man dabei von einer “Security” und als solches muss dieses Produkt auch registriert werden. Ich bin nicht daran interessiert, die Rechenleistung zu tokenisieren und diese unreguliert zu vertreiben, auch wenn das anderswo passiert. Es ist eine Security und ich will dieses Produkt so auf den Markt bringen, dass es sowohl in den USA als auch in Europa funktioniert und daran arbeite ich aktuell mit verschiedenen Firmen.
Dann gibt es noch die zwei Ideen, die ich nur folgendermaßen anteasern kann:
Beide Ideen haben mit innovativen und überraschenden Möglichkeiten zu tun, wie wir den Mining-Prozess selbst für den Umweltschutz nutzen können. Einerseits können wir Bitcoin-Mining zur Reinigung von Wasser nutzen. Andererseits denke ich, dass wir Bitcoin Mining auch dazu einsetzen können, CO₂ aus der Umgebungsluft zu filtern. Mehr kann ich noch nicht verraten, aber es geht um sauberes Wasser und CO₂-Bindung aus der Umgebungsluft.
[Mehr zu den beiden Ideen verrät Troy hier]
Marcel:
Wir wollten mit diesem Interview zum Ausdruck bringen, wie das Bitcoin-Mining die Kreativität im gesamten Energiesektor überall auf der Welt fördern kann und wie dies einen positiven Impact mit sich bringt. Intelligenter und nützlicher für die Umwelt, besser für unsere Energiekosten. Ich denke, das haben wir mit dem Gespräch geschafft.
Troy:
Absolut. Mein Fazit zu Bitcoin und Bitcoin-Mining lautet: Es ist eine völlig neue Plattform für technologische Innovation. Es verbraucht Energie auf eine neue Art und Weise. Noch nie war ein Energieverbraucher so flexibel. Bitcoin-Miner lassen sich in Sekundenschnelle aus- und einschalten. Das ermöglicht es, Stromnetze auszubalancieren. Bitcoin-Miner können bei steigender Stromnachfrage sofort abgeschaltet werden. Das bedeutet, dass das Bitcoin-Mining mit anderen industriellen Prozessen zusammenarbeiten kann, ohne diese Prozesse selbst zu belasten. Wenn man anfängt, so darüber zu denken, erkennt man mit etwas Vorstellungskraft, dass wir erst am Anfang einer technologischen Revolution stehen. Es geht um Fragen wie: “Wie können wir das Stromnetz verbessern?” oder “Wie können wir neue Energiesysteme aufbauen?” Wir haben hier eine brandneue technologische Plattform. Wie können Menschen behaupten, Bitcoin sei schlecht für die Umwelt oder fordern es zu verbieten, wenn sie noch nicht einmal verstehen, welche Innovationen darauf hervorgebracht werden können. Es kann uns helfen, Wasser zu reinigen, Methan zu reduzieren, hochgradig intermittierende, unzuverlässige Netze auszugleichen und bisher unprofitable Energiequellen zu monetarisieren. Die Integration dieser Technologie kann eine bedeutende und bisher nicht dagewesene Entwicklung in der Geschichte menschlichen Fortschritts im Umgang mit Energie und Geld sein.
Marcel:
Troy, vielen Dank für das Gespräch. Ich hoffe, das wird zum Verständnis beitragen.